Baikal Ice Marathon: So weit die Füße tragen
Baikal Ice Marathon: So weit die Füße tragen
Gefühlte 32 Grad minus
Wer mich kennt, weiß, dass ich kein Freund von Läufen in der Kälte bin. Als ich letztes Jahr zwei Berichte in Laufzeitschriften (Spiridon und Laufzeit) vom Marathon über den zugefrorenen Baikalsee las, war ich trotzdem sofort von dem Gedanken fasziniert, so etwas auch einmal zu machen. Anfang diesen Jahres wurden die Pläne dann konkreter, und als auch noch Stefan Schlett und Jürgen Kuhlmey ihre Teilnahme zusagten, meldete ich mich an.
Am 2. März ging es dann endlich los. Mit der Bahn fuhr ich zum Flughafen Frankfurt. Am Check-In-Schalter der TRANSAERO Airlines traf ich neben Stefan und Jürgen den Rest der Reisegruppe.
Unser Flug startete fast pünktlich, und mit einem Zwischenstop in Moskau landeten wir nach ungefähr 8 Stunden Flugzeit am nächsten Morgen kurz nach 09:00 Uhr in Irkutsk. Es ging dann noch ca. 70 km weiter mit dem Bus zu unserem Hotel U Ozera direkt am Ufer des Baikalsees in Listvyanka.
Den Rest des Tages und den nächsten Tag verbrachten wir mit Testläufen auf dem zugefrorenen See und mit einem touristischen Programm wie Museumsbesuch und Besteigung des Cherskiy-Gipfels, um uns einen Überblick über die Umgebung zu verschaffen.2 Teilnehmer aus der Gruppe konnten es sich auch nicht verkneifen, ein Eisbad im See zu nehmen.
Bevor wir am Lauftag zum Start fuhren, opferten wir am Ufer dem Wassergott des Baikalsees etwas Wodka, um sein Wohlwollen für unser Vorhaben zu erbitten. Danach ging es mit Kleinbussen in einer etwa zweistündigen Fahrt über’s Eis bis fast ans gegenüberliegende Ufer. Dort fand die Startnummernausgabe statt. Die letzten Meter bis zum Ufer mussten wir dann zu Fuß zurücklegen, da gestern ein Erdbeben einen Riss entlang des Ufers verursacht hatte und dieser über Nacht nicht genügend zugefroren war, um mit einem Fahrzeug darüber zu fahren.
Am Start wurde Vollzähligkeit überprüft und dann liefen wir los. Bevor ich auf die Fahrspur der Kleinbusse von der Herfahrt kam, ging es einige hundert Meter durch tiefen Schnee. Jetzt konnte ich gemütlich vor mich hinlaufen und die grandiose Natur genießen.
Nach ungefähr 8 Kilometer kam ich an die erste Verpflegungsstelle und trank vom angebotenen warmen Tee. Hier änderte die Laufstrecke die Richtung und der Wind blies genau von vorne. Laut späterer Aussage des Veranstalters am Abend betrug die Temperatur –13° C. Der Wind blies mit 8 m/s – dies entspricht umgerechnet etwa – 32°C bei Windstille.
Ich zog noch zusätzlich meine Kapuze über die Gesichtsmaske. Um die Kapuze zuzubinden, musste ich meine Handschuhe ausziehen. Dabei hatte ich ein Gefühl, als würden meine Finger absterben. Gott sei Dank wurden sie schnell wieder warm, als ich die Handschuhe überzog. Dafür gefror jetzt durch die Atemluft die Gesichtsmaske an der rechten Wange an. Erst als ich meine Hand vor’s Gesicht hielt, um es mit dem Handschuh vor dem Wind zu schützen, wurde es besser.
Nach einigen Kilometern änderte sich die Laufrichtung wieder und so kam der Wind nicht mehr direkt von vorne – es wurde wieder erträglicher. Aber die Fahrspuren der Autos waren durch den starken Wind schnell verweht und so war das Laufen nicht einfach und sehr beschwerlich.
An der zweiten Verpflegungsstelle nach ungefähr 16 Kilometer nahm ich wieder heißen Tee. Und weiter ging’s. Temperaturmäßig war es dann ganz gut zu laufen. Ich war ja aber auch sehr gut eingepackt: An den Beinen 2 lange Tights und darüber eine winddichte Hose; am Oberkörper trug ich Unterhemd, Laufhemd, Windstopper und eine winddichte Jacke mit Kapuze darüber. Den Kopf schützte ich mit Ohrschützern, Gesichtsmaske und Kapuze. Meine Handschuhe sind laut Herstellerangabe tauglich bis – 30°C.
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© marathon4you.de |
Es kamen immer häufiger große Flächen, an denen das Eis vom Wind blank geblasen war. Ich konnte ganz gut große Luftblasen unter dem ungefähr 80 cm dicken Eis erkennen. Ich orientierte mich weiter an den Fähnchen der Streckenmarkierung, bis ich bei ungefähr Kilometer 35 den Streckenmarkierer überholte! Aber das Ufer war ja schon seit langem zu erkennen und so hielt ich gerade darauf zu. Zusätzlich konnte ich auch gerade wieder einer Fahrspur folgen.
Am Ufer waren sehr viele Menschen unterwegs – sie feierten das Pfannkuchenfest. Bei Windstille und Sonnenschein war die Temperatur jetzt sehr angenehm bis auf nahe Null Grad angestiegen. Ich näherte mich meinem heutigen Laufziel und überquerte in 4:59:09 die Ziellinie.
Nach einem weiteren Saft wurde ich sofort einige 100 Meter zum Hotel zurückgefahren. Dort wärmte ich mich in der Sauna auf und nach dem Duschen gab’s im Restaurant leckere Häppchen.
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Am nächsten Tag besichtigten wir ein Freilichtmuseum, bevor es zurück nach Irkutsk ging. Dort machten wir nachmittags eine Stadtrundfahrt. Den Abend nutzten dann einige, um noch so richtig zu feiern.
Am Dienstag ging es dann sehr früh zum Flughafen zum Heimflug nach Deutschland.
Frei nach Bernhard Sesterheim würde ich sagen: Es war ein schönes Erlebnis, ein sehr schönes Erlebnis.
Es bleibt nur zu hoffen, dass die Entscheidung, eine Erdölpipeline durch erdbebengefährdetes Gebiet - nur wenige hundert Meter nördlich des Baikalsees - zu bauen, noch einmal überdacht wird. Es wäre zu schade, wenn diese wunderschöne Natur durch eine ökologische Katastrophe vernichtet werden würde.
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