X. Baikalsee Eismarathon
X. Baikalsee Eismarathon
12 MÄRZ 2014
Team-androgon war dabei!
Am 1. März 2014 wurde das 10. Jubiläum des Baikalsees Eismarathon in Sibirien gefeiert. Und wir sind Wiederholungstäter: Team-Kollege Stefan Schlett war schon mehrmals mit am Start.
Zehn Eismarathons sind schon ins Land gegangen und stetig haben sich die organisatorischen Rahmenbedingungen verändert bzw. verbessert. Mittlerweile liegt die alleinige Organisation für russische Events beim Expeditionsbüro “Absolute Siberia”, das die sibirische Region um den Baikalsee touristisch vermarktet. Die Naturgewalten sind aber immer noch die Gleichen und der Lauf weist immer noch den gewissen Expeditions-Charakter auf.
Die Perle Sibiriens:
Der Name Baikal wurde von den Anwohnern des Sees, den Burjaten, einem Mongolenstamm, übernommen. Übersetzt heißt es “der reiche See”. Der Baikalsee befindet sich in den südsibirischen Gebirgen und seine Eigenschaften und Dimensionen sind gewaltig. Deswegen nennt ihn niemand eigentlich einen See. Es ist das heilige Meer Sibiriens. Seit 1996 gehört der Baikalsee dem UNESCO Weltkulturerbe an.
Einige Kenndaten:
• Tiefste See der Erde: 1642 Meter
• Älteste See der Erde: mehr als 25 Millionen Jahre
• Volumen von 23.615 km³, ein Fünftel aller flüssigen Süßwasserreserven auf dem Planet und 80 % der russischen Süßwasserreserven
• Wasseroberfläche: 31.722 km², flächenmäßig siebent größter See der Welt
• Uferlänge: 2125 km
• Länge: Mittellinie vom Südwesten zum Nordosten spricht 673 km
• Breite: maximal 82 km, durchschnittlich 48 km, schmalste Stelle 23 km
…und wächst jährlich um weitere 2 cm.
Die Winter, von November bis März, sind in der Region mit Durchschnittstemperaturen um −20 °C trocken-kalt. Es herrscht Dauerfrost und die Temperaturen können bis auf etwa −50 °C fallen. Als Konsequenz gibt es eine durchschnittlich 1,0 Meter dicke Eisschicht, worauf sogar mit LKW gefahren werden kann. 15 Zentimeter Eisdicke würden schon reichen, um mit einem Auto auf Eis fahren zu können.
Das Autofahren über den See ist jedoch “zumindest gesetzlich” verboten.
Koffer packen:
Schulz Aktiv Reisen bietet allerdings noch mehr als den Marathonlauf selbst. Wintererlebnisse am Baikalsee, auch für Nichtläufer bzw. Begleitpersonen, besonderes Anreise-Erlebnis mit der Transsibirischen Eisenbahn, Verlängerung, usw. aber ich für mich wählte die kurze Variante. Leider bedauerte ich später nicht länger geblieben zu sein.
Insgesamt war ich 6 Tage unterwegs, was mir zu genügend Zeit für Anreise, kurze Akklimatisierung inklusive Trainingslauf bzw. Materialcheck, Marathon, feiern (klar!) und Rückreise ermöglichte. Ich brauchte also nicht an all zu viel Kleidung denken. Ich wählte vorerst meine dickste Sport-Bekleidung, was ich allerdings später nochmals überdenken würde, packte einige Ersatzteile und das war’s. Die Schuhe nahmen wie immer den meisten Platz ein, was mich, wie bei jeder Reise, wieder aufs Neue nervte.
Für die Reise entschied ich mich für eine flexible und allgemeine “Schuh-Lösung” und wählte den Keen Verdi II mid. Dieser Schuh bewährte sich schon mehrfach und ich vertraute auch diesmal voll auf ihn. Der Keen Schuh war auch hier in der Kälte die richtige Wahl und ich kann ihm das Siegel “Siberia ready” erteilen.
Um meine Laufklamotten machte ich mir kurz vor Abreise dann wieder mehr Gedanken. Das braucht eine separate Analyse…
Die Laufausrüstung:
Überlegungen: Ich will einen Marathon laufen und zwar so schnell wie möglich, ohne zu frieren. Das bedeutet, ich kann nicht wie bei meiner normalen Kleidung einfach die dickste Laufklamotte anziehen. Die erste Regel beim Laufen in der Kälte lautet: Zwiebelprinzip beachten! Ich kann aber auch nicht beliebig viele Schichtentragen, da ich mich dann zwar warm halte, aber meine Bewegungsfreiheit sehr eingeschränkt ist. Da ich im komfortabel tempertierten Zuhause etwas unsicher war, wie ich auf derart niedrige Temperaturen reagiere, entscheide ich mich, mehrere Kleidungsstücke mitzunehmen und vor Ort die passende Kombination zu wählen.
Hier möchte ich mich auch bei meinem Team-Kamerad Stefan Schlett bedanken, der mir nützliche Tipps gegeben hat, die ich hier 1:1 wiedergeben möchte:
Meine Liste, von Kopf bis Fuß…
• Kopfbedeckung: Sealskinz Waterproof Beanie Hat und eine Sturmhaube
• Sonnenbrille Kategorie 4 mit Gummiband. Die soll nicht anlaufen, da die Strahlung sehr stark ist. Wenn die Brille anläuft friert das gleich und man hat keinen Durchblick mehr
• Hals: Buff Multifunktionstuch
• Unterwäsche: Sport-Boxer und lange Unterwäsche-Kombination (Oberteil + 3/4 Unterhose)
• Oberteile: Kalenji Langarmshirt Essentiel, Montane Merino Oberteil und ein Funktion T-Shirt
• Laufja target="_blank">Sealskinz Ultra Grip Gloves, Handschuhe Liner und Fäustlinge
• Hose: Salomon WINDSTOPPER Trail Tight
• Socken: dünne Laufsocken Injinji Liner und darüber ein paar Kompressionssocken CEP mit den ich immer lange Strecken laufe.
• Schuhe: in den letzten Jahren gab es viel Schnee auf dem Baikal und man könnte mit normalen Laufschuhen laufen. Vorsichtshalber kann man ausziehbare Spikes (z. B. Yaktracks) mitnehmen falls Blankeis vorhanden ist. Ich habe mich aber für die Laufschuhe Icebug Anima entschieden. Sie sollen unter allen Bedingungen eine gute Lösung sein.
And last but not least, genauso wichtig wie die Laufklamotten, sind andere Schutzmittel notwendig: Pflaster für die Brustwarze, Vaseline für die Scheuerstellen, da die vielen Klamotten die Haut leicht wund reiben, und Sonnenkreme Faktor 50.
Die Reise:
Nach 8 Stunden Flugzeit von Frankfurt via Moskau nach Irkutsk, 7000 Kilometer von zu Hause entfernt und 7 Zeitzonen später war ich endlich auf sibirischem Boden. Am Flughafen traf ich Dimitri “Dima”, den Tourleiter von Schulz Aktiv Reisen, der mich in das 70 km entfernte Hotel in Listwjanka brachte, wo der Rest der insgesamt 14-köpfige Reisegruppe auch schon auf mich wartete, um das Tagesprogramm und die Tour zu starten.
Listwjanka ist eine Siedlung städtischen Typs in Sibirien nahe der Stelle, an der der Angara in den Baikalsee entfließt. Der Angara ist der einzige Abfluss des Sees und einer der großen Flüsse Sibiriens. Hier in Listwjanka, am Hafen, befand sich auch die Ziellinie des Wettbewerbs.
Es war Donnertag 11 Uhr und der Lauf würde am Samstag, 11:00 Uhr stattfinden – ich hatte also genau zwei Tage zur Akklimatisierung. Im Flugzeug hatte ich ein wenig geschlafen und so versuchte ich, dann auch so schnell als möglich, mich auf den Rhythmus des Ziellandes -die Zeitumstellung- einzustellen. Sprich, ich machte einfach “touristisch” mit der Gruppe weiter und versuchte, mich so an die neue Zeitzone und das Klima zu gewöhnen. Auf dem Programm standen Besuch des Baikalmuseums, Aufstieg zum Tscherski-Stein, Mittagsessen im lokalen Restaurant, Banja-Sauna mit Eisloch und Abendessen im Hotel. Es machte mir Spaß und alle in der Gruppe waren sehr nett und bestens gelaunt. Auch konnte ich in meiner ersten Nacht relativ gut schlafen und am nächsten Morgen (Freitag), nach dem Frühstück, ging ich eine kurze Runde auf dem See laufen; ich probierte wie man mit Spikes auf Eis läuft und welche Kleidung für den morgigen Tag die Richtige wäre.
Die Wetterbedingungen sollten am nächsten Tag nicht viel anders als Freitag sein: Sonne, kaum Wind -des Eisläufers größter Feind- und um die -17°C beim Start. Die Entscheidung um die Wettkampf-Kleidung fiel final an diesem Vormittag.
Der Lauf:
Der Lauf fand am Samstag, den 1. März statt, aber die Vorbereitung begann eigentlich schon am Freitagnachmittag 13 Uhr. Wir wurden im Hotel von einem Minibus der Organisation abgeholt und nach Baikalsk gebracht.
Baikalsk liegt am Südufer des Baikalsees, an der gegenüberliegende Uferseite von Listwjanka. Da wir nicht in gerade Linie über den See fahren konnten, wurde nahezu eine Umrundung des Sees notwendig. Am Ende waren es mehr als 3 Stunden Fahrt, da wir, um den Angara zu durchqueren erst mal nach Irkutsk fahren mussten und dort erst über eine Brücke den Fluß überqueren konnten. Anschließend wurden alle Teilnehmer des Marathons in den umliegenden Hotels in Baikalsk und Utulik untergebracht. Am Abend gab es die klassische Wettkampfbesprechung und am nächsten Tag wurden wir zum Startpunkt in Tanhoi (noch etwa 75 km weit entfernt) gebracht. Die Orga verlief bestens.
Eine Übersetzerin der Organisation, Lyubov Belousova, erklärte und übersetzte uns in der vorabendlichen Wettkampfbesprechung den genauen Ablauf in Englisch:
– Frühstück von 7:00 bis 8:30
– Gepäck am Empfang um 8:40
– Abfahren um 9:15
– Ankunft in Tanhoi um 10:45
– Start um 11 Uhr
Auch die Wetterbedingungen waren wie erwartet:
Laufuntergrund bis km 20 Schnee, ab diesem Moment dann und bis ins Ziel glattes Eis!!
Bis zum Start lief Alles nach Programm. Ich war vorbereitet!
Meine Ausrüstung für den Lauf:
• Kopfbedekung: Sealskinz Waterproof Beanie Hat
• Sonnenbrille Kategorie 4 mit Gummiband
• Hals: ich nutze die Sturmhaube als Halstuch statt den Buff. Sollte notwendig sein (z.B. wegen Auftreten des Windes) kann ich auch sie über den Kopf anziehen
• Unterwäsche: Sport-Boxer und lange Unterwäsche-Kombination (Oberteil + 3/4 Unterhose)
• Oberteile: Kalenji Langarmshirt Essentiel. Keine zweite Schicht mehr nötig
• Laufjacke: Peak-Neak Polarjacke B-Kruk Olympian
• Handschuhe: Fäustlinge. Keine Liner runter
• Hose: Salomon WINDSTOPPER Trail Tight
• Socken: Kompressionssocken CEP. Keine Injinji Liner
• Schuhe: Icebug Anima
Um 10:45 Uhr stiegen wir planmäßig aus unseren Minibus. Warmlaufen, kurze Anweisungen von Race Director Alexei Nikiforov über die Bedingungen und die Laufstrecke; wir waren bereit.
Es fehlte nur noch das traditionelle Ritual zur Verehrung des Baikalsees: mit dem Ringfinger muss ein Tropfen Milch (sportliche Variante, eigentlich soll es Wodka sein) in jede Himmelsrichtung gespritzt werden, dann die Milch trinken oder einfach die Lippen damit benetzen und der Rest über das Eis leeren.
Alexei Nikiforov zählt den Countdown und es geht los:
Die Strecke war mit kleinen roten Fähnchen markiert und dem Weg war gut zu folgen. Es gab mobile Verpflegungsstellen bei Kilometer 10, 15, 21, 27, 32 und 37, die Wasser, warmen Tee, Nüsse, Trockenobst, Schokolade, Käse, usw. boten. Ich bediente mich nur an den Getränken, da ich immer meine eigenen Gels mitnehme; diesmal auch nicht anders. Ich hatte die Gels auch in eine Innentasche der Jacke gesteckt damit sie nicht einfrieren; trotzdem waren sie sehr kalt aber in Gel-Form essbar.
Das erste Teil des Rennens, bis km 20, ging es wie erwartet durch 10-20 Zentimeter tiefen Schnee. Es wurde zu einem großen Teil in den Fahrspuren der Minibusse und Motorschlitten gelaufen, die die Strecke markiert hatten. Man musste sich aber immer die richtige Spur suchen, denn nicht in allen Spuren war einfach zu laufen. Die richtige Devise war es, den russischen Läufer zu folgen; sie schienen den besseren Sinn entwickelt zu haben.
Ab km 20 und bis zum Ziel war glasklares Blankeis angesagt. Risse durchzogen die Oberfläche und das Gefühl unsicher zu laufen war immer leicht präsent. Die Icebug Spikes lieferten große Hilfe, aber ich hätte mir noch festere Spikes gewünscht, etwa solche die der Salomon Spikecross besitzt.
Die letzten Kilometer waren besonders heftig. Ostwind entzog mir ordendlich die Temperatur aus dem Körper, besonders am Kopf, ich bekam Kopfweh und spüre langsam die leichte Unterkühlung. Das Ziel war aber glücklicherweise in “Greifnähe” und ich war froh es nach 3:37:21 geschafft zu haben.
Vom Ziel ging es umgehend in unsere Pension. Dimitri fuhr jeden von uns umgehend dorthin, sobald wir im Ziel angekommen waren und kümmerte sich um unser Gepäck. Eine super Geste. Wie ich mich gefreut hatte, ihn zu sehen!
Nach dem Lauf ist vor dem Lauf:
Es gibt einige Sachen die ich beim nächsten Mal, unter gleichen Bedingungen, anders machen würde:
• Kopf:
Sealskinz Waterproof Beanie Hat war eine sehr gute Entscheidung. Eine Sturmhaube hat aber als Halstuch keinen Sinn wenn man plant, sie später bei Wind über dem Kopf zu tragen. Später ist sie komplett durchgeschwitzt und man kann sie nicht mehr auf dem Kopf tragen
• Handschuhe:
Fäustlinge waren mir zu heiß. Sealskinz Ultra Grip Gloves oder andere etwas dicke Handschuhe wären mir lieber gewesen
• Schuhe:
Modell mit festen Spikes
Ansonsten fällt die Post-Race-Analyse sehr positiv aus, auch für meine Reisebegleiter und Laufkameraden. Wir sind Alle zufrieden und glücklich. Weiter durften wir mit gutem Gewissen mit dem lokal gebrannte Baikalwodka auf uns anstoßen.
Alles hat ein Ende:
Am Abend fand die übliche Siegerehrung und Party nach dem Wettbewerb statt. Es war aber unmöglich, genug Platz für alle Läufer und Läuferinnen zu finden. Aus diesem Grund feierten wir unter uns in unserer Pension. Race Director Nikiforov kam aber auch dort vorbei und verteilte hier persönlich die Medaillen und Diplome an uns.
Am nächsten Tag erlebten wir noch Banja-Sauna und einen Kochkurs (Bortsch, traditionelle russische Suppe) bei Tamara und Andrej. Beide sind russische Tourleiter bei Schulz Sport Reisen. Dimitri, auch dabei, war einfach toll und hat uns jederzeit perfekt betreut.
Am Montag ging es wieder zurück nach Deutschland.
Eines ist aber für mich aber sicher: ich habe ein Unikum im Laufkalender gefinisht, eine schöne Ecke der Erde gesehen und tolle Menschen kennengelernt.
Statistiken und Ergebnisse:
Es gab 154 Anmeldungen insgesamt für den Marathon und Halbmarathon. Am Ende waren 145 Teilnehmer am Start:
23 Frauen (11 – Marathon, 12 – Halbmarathon)
122 Männer (105 – Marathon, 17 – Halbmarathon)
Teilnehmer waren aus 21 verschiedenen Ländern:
71 aus Russland
21 aus Deutschland
14 aus Japan
6 aus UK
5 aus Polen
5 aus Österreich
4 aus Frankreich
4 aus Irland
3 aus Hong-Kong
und 1 aus Italien, Schweden, Moldawien, Holland, Spanien, USA, Kanada, Ungarn, Kolumbien, Singapur, Dänemark und Norwegen
Männer Marathon Gewinner: Fedor Sveshnikov aus Russland 2:59:50
Frauen Marathon Gewinnerin: Daria Manzi aus Russland 3:44:19
Männer Halbmarathon Gewinner: Sergey Pocherenyuk aus Russland 1:39:08
Frauen Halbmarathon Gewinnerin: Irina Malakhova aus Russland 1:37:04
(jm)
J. Menendez
Full article complete with all photos is here: http://www.androgon.com/24858/sport/extremsport/x-baikalsee-eismarathon